Tollwut

 

Das Tollwutvirus ist ein neurotropes Rhabdovirus, das durch den Biß oder durch das Ablecken (Bindehaut, oder nicht intakte Haut) infizierter Tiere (v.a. Hunde: 99%, aber auch Affen, Schakale, Mungos, Füchse, Katzen, Stinktiere, oder Fledermäuse), deutlich seltener durch Aerosole (in Fledermaushöhlen, Laborunfälle, oder bei engem Kontakt zu Erkrankten), in Einzelfällen auch durch Transplantationen übertragen wird.
Weltweit sterben immer noch mindestens 50.000 Menschen, wobei keine exakten Daten verfügbar sind, pro Jahr an Tollwut. Nur Neuseeland, ein paar Inseln im Pazifik, in der Karibik und die Antarktis sind tollwutfrei, die meisten Tollwutfälle gibt es am Indischen Subkontinent.
Reduktion von Rabies: Immer wieder wird versucht durch das Abschießen von Tieren der Tollwut Herr zu werden, was nur wenig genutzt hat (reaktive Zunahme der Überlebenden). Viel effektiver war das großflächige Auslegen vom Impfködern, wodurch man die terrestrische Tollwut in Österreich ausrotten konnte.
Risikopersonen (Jäger, Tierärzte und Laborpersonal) sollten auch in Österreich geimpft werden.
Man unterscheidet zwei Übertragungsformen: Die silvatische begrenzt sich auf Wildtiere, während bei der urbanen Form Haustiere eine Brücke zur Wildtiertollwut darstellen. So übertragen z.B. in den USA Hauskatzen Tollwut auf den Menschen: Da Hauskatzen durch ihr dem Waschbären ähnliches Jagdverhalten (nächtliche Jagd und ähnliches Freßverhalten) mit diesem in Kontakt kommen und von diesem infiziert werden. Alleine durch das Verhalten der Tiere sind keine absolut sicheren Rückschlüsse dahingehend möglich, ob das Tier mit Tollwut infiziert ist, oder nicht.
Die Inkubationszeit ist sehr variabel und reicht von wenigen Wochen bis zu sehr vielen Monaten(!). Sie ist abhängig vom Ort des Bisses (im Kopf-Halsbereich und Hand-Fußbereich kürzer), von der inokulierten Virusmenge, vom Virustyp und von der übertragenden Tierart (z.B. werden Hundetollwutviren leichter übertragen als Fledermaustollwutviren): Bei den Verlaufsformen unterscheidet man neben der „wilden Wut“ die „stille“ und eine „atypische Wut“.
Die endgültige Diagnose wird durch die Virus-RNA-PCR gestellt. Relativ spät können auch Antikörper (EIA oder Neutralisationstest) und postmortal die Negri-Körperchen nachgewiesen werden.
Klinik: Die Krankheit beginnt mit unspezifischen Symptomen: Meist berichtet der Patient in der Prodromalphase von Parästhesien an der Bißstelle (hier erfolgt die anfängliche Vermehrung des Erregers), dann allgemeines Krankheitsgefühl, Unwohlsein, Ängstlichkeit und depressive Verstimmung, sowie Schlaflosigkeit. Oft treten auch Fieber, Nausea und Vomitus auf. Das Virus wandert nicht rasch über die Blutbahn, sondern langsam retrograd (ca.2 mm/ Tag) über die Nervenbahnen ins Gehirn, wo es sich vermehrt und zu den Neurologischen Symptomen führt: Hydrophobie (bereits die Vorstellung, Trinken zu müssen, löst extrem schmerzhafte Schlundkrämpfe mit Hypersalivation aus), Aerophobie (bereits ein leichter Luftzug wird als unerträglich empfunden).
Tragischerweise durchlebt der Patient seine Erkrankung bei Bewußtsein, bis er zunehmend halluziniert, desorientiert ist und letztendlich komatös wird. In der Regel tritt der Tod durch Multiorganversagen mit Arrhythmien und finalem Atemstillstand ein.
Sobald einmal Symptome aufgetreten sind, verstirbt der Patient sicher, es existiert keine kurative Therapie. Man kann lediglich intensivmedizinische, symptomatisch-supportive Maßnahmen setzten.
Prophylaktisch kann man neben dem klassischen Schema (Tag 0-7- 21 oder 28) auch ein Schnellschema (Tage 0-3-7) verwenden, dann sollte man nach ein bis zwei Jahren eine Booster-Impfung verabreichen. Eine Titerkontrolle ist möglich.
Praktisches Vorgehen: Nach der üblichen Impfanamnese, insbesondere dem Abfragen einer Hühnereiweißallergie, erfolgt die intramuskuläre Applikation in den M.deltoideus, bei unter Einjährigen in den M.vastus lateralis. Man kann diese aktive Impfung als Totimpfstoff mit anderen Impfungen, ohne jeden Zeitabstand, beliebig kombinieren. Die Impfung kann auch in der Schwangerschaft verabreicht werden. Sie wird insgesamt sehr gut vertragen (manchmal leichte Lokalreaktionen, evtl. febrile Temperaturen) und ist sehr gut (fast 100% Impfschutz) wirksam.
Im ungünstigsten Fall besteht kein Tollwutimpfschutz: Hier ist eine Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) innerhalb von 48 Stunden essentiell. Pro Jahr werden 15 Millionen PEP aufgrund einer möglichen Tollwutinfektion durchgeführt. Wacht man z.B. in Lateinamerika mit einer Fledermaus im Zimmer auf, gilt dies bereits als Kontakt und die Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) sollte unverzüglich begonnen werden.
Bei der PEP sollte der Patient möglichst innerhalb von 48 Stunden simultan aktiv, z.B. an den Tagen 0-3-7-14-(28), (sog. „Essener-Schema“)- hier existieren unterschiedliche Schemata- und passiv (einmalig 20 I.E./kg Körpergewicht) geimpft werden.
Praxistip: Die Hälfte direkt in und um die Bißstelle, die andere Hälfte intragluteal. Immunglobuline sollte man nicht später als eine Woche nach dem Biß geben. Falls das im Ausland begonnene Schema klar eruierbar ist, sollte man in diesem weiterimpfen, sonst neu beginnen.
Nach der WHO richtet sich die Therapie nach den Graden der Exposition:

Categories of Contact and recommended post-exposure prophylaxis(PEP)
Category I touching or feeding animals, licks on intact skin PEP : None
Category II Nibbling of uncovered skin, minor scratches or abrasions without bleeding PEP :Immediate Vaccination and local treatment of the wound
Category III Single or multiple transdermal bites or scratches, licks on broken skin; contamination of mucous mebrane with saliva from licks, contacts with bats PEP: Immediate vaccination and administration of rabies immunglobulin; local treatment of the wound

Praxistip: Wurde ein Reisender grundimmunsisiert und seine Impfungen aufgefrischt, sollten im Falle eines Bisses (nach Spreizen der Wunde und langem, d.h. ca. 15minütigem Auswaschen mit Seifenwasser und Versorgen der Bißstelle (drainagieren, Wundversorgung mit Ruhigstellen ohne Wundverschluß, Tetanusimpfschutz kontrollieren, evtl. Antibiose) im Dreitagesabstand zwei aktive Tollwutimpfungen möglichst zeitnah zum Ereignis durchgeführt werden. Dabei können, falls bei der Erstversorgung andere Tollwutimpfstoffe verwendet wurden, Tollwutimpfstoffe verschiedener Hersteller beliebig kombiniert werden.

Fazit:
Eine der häufigsten Fragestellungen in der Reisemedizinischen Praxis ist die Indikation zur Tollwutimpfung. Das Hauptargument gegen eine Impfung stellen die relativ hohen Kosten dar. Die oft gefällte Entscheidung, einen Reisenden nicht zu impfen, wenn dieser innerhalb 48 Stunden nach einem Biß in ein Krankenhaus kommen kann, wo er Impfstoffe (häufig sehr fraglicher Qualität und auch nicht ständig lagernd) erhalten kann, ist häufig eine, aus dem Europäischen Blickwinkel gesehene Empfehlung. Meiner Erfahrung nach, ist das Einhalten dieser engen Zeitvorgabe (PEP) in der Realität in vielen Gegenden unrealistisch. Auch die Überlegung, daß erst ein längerer Aufenthalt ein erhöhtes Infektionsrisiko bietet („kumulatives Risiko“), scheint zwar sehr plausibel: Die Realität zeigt aber, daß mehr als die Hälfte (!) aller Reisenden, die gebissen wurden und an Tollwut erkranken/verstarben, Kurzzeitreissende (Reisedauer: Eine Woche) waren.

Dr. Bernhard Haberfellner ist Facharzt für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin mit einer Praxis in Linz und hat in den letzten Jahren in unterschiedlichen Ländern in Lateinamerika, Afrika, Asien und Ozeanien und an verschiedenen Europäischen Tropeninstituten gearbeitet.
Kontakt:
Dr. Bernhard Haberfellner
Facharzt für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin
Praxis für Allgemeinmedizin
Johann-Konrad-Vogelstraße 6
4020 Linz
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Literaturangaben beim Verfasser